Handlungsleitfaden zur Intervention

Hinweis: aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in diesem Dokument bei Personenbezeichnungen die männliche Form verwendet. Entsprechende Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung für alle Geschlechter.


Ebene 1: WAHRNEHMEN

Ich nehme in meiner Funktion als Mitarbeiterin/ Mitarbeiter etwas wahr, was mir „komisch“ vorkommt. Was tue ich?
  • Die Wahrnehmung prüfen und filtern. Bleibt es bei dem „komischen“ Gefühl, wende ich mich an einen Kollegen („Vier-Augen-Prinzip“) und prüfe nach, ob mein erster Eindruck bestehen bleibt. Tut er dies, wende ich mich an den Schutzbeauftragten underzähle von meinen Wahrnehmungen. Ein Kind/Jugendlicher wendet sich an mich als Mitarbeiterin/Mitarbeiter und berichtet mirvon einem Vorfall. Was tue ich?
  • Ich nehme mir Zeit für das Kind bzw. den Jugendlichen. Ich versuche Kontinuität und Sicherheit zu vermitteln, so dass der Betroffene über eventuelle Erfahrungen freisprechen kann. Ich bin dabei behutsam, dränge mich nicht auf und stelle keine Suggestivfragen. Eine sichere Umgebung, in der das Kind bzw. der Jugendliche sich wohl fühlt und eine verlässliche Beziehung zu mir als Vertrauensperson sind gute Voraussetzungen für das Gespräch.
  • Nach diesem ersten Gespräch teile ich dem Kind bzw. dem Jugendlichen mit, dass ich sein Anliegen ernst nehme und helfen möchte. Aber auch, dass es hierzu einer speziell ausgebildeten Person bedarf, die für die Hilfe in solchen Fällen besonders geschult und vorbereitet ist. Ich verweise auf den Schutzbeauftragten. Grundsätzlich frage ich das Kind bzw. den Jugendlichen, ob er damit einverstanden ist, dass ich den Vorfall dort melden werde und dieser dann das Gespräch mit ihm suchen wird. Ich verspreche allerdings keine Geheimhaltung bei strafrechtlich relevanten Vorfällen!
Ausnahme: In Situationen, in denen eine Kindeswohlgefährdung nicht nur vermutet, sondern tatsächlich beobachtet wird („bei einer Straftat auf frischer Tat betroffen“) und eine unmittelbare körperliche und/oder seelische Schädigung des Kindes klar erkennbar ist, hat der unmittelbare Schutz des Opfers Vorrang. In diesem Fall bin ich angehalten, die unmittelbare Gefahrensituation zu bereinigen (Trennung Opfer/Täter nach dem Notwehrrecht) und den Täter bis zum Eintreffen der Polizei festzuhalten (Jedermanns-Festnahmerecht gem. §127 StPO). Sollte die Situation für mich selbst zu gefährlich sein, so ist  zumindest direkt die Polizei zu verständigen.


Ebene 2: WARNEN

Verdachtsfälle jeglicher Art melde ich an den Schutzbeauftragten. Der Schutzbeauftragte führt dann die weiteren Maßnahmen in Abstimmung mit der Vereinsführung durch.
Bei der Meldung sind die „5 goldenen W“ von Bedeutung:
  • WAS habe ich gesehen / wurde mir erzählt?
  • WANN ist es geschehen?
  • WO ist es geschehen?
  • WER war beteiligt?
  • WAS habe ich bislang getan?
Am allerwichtigsten ist jedoch zunächst der Grundsatz „RUHE BEWAHREN“, auch wenn es schwerfällt. Keine voreiligen Infos an andere geben, sondern stattdessen das Gespräch mit dem Schutzbeauftragten suchen. Keinesfalls ist der Verdächtige vorab mit dem Verdacht zu konfrontieren. Dadurch bestünden die Gefahren, dass Beweismittel vernichtet werden und/oder das Opfer unter massiven Druck gesetzt wird.


Ebene 3: HANDELN

Für den Schutzbeauftragten ist hierbei wichtig:
  • Von allen Vorfällen ist die Vereinsführung in Kenntnis zu setzen.
  • Unbefugte Dritte sind nicht zu informieren. Alle weiteren Schritte werden nun gemeinsam mit der Vereinsführung abgestimmt.
  • Wurde mit der Vereinsführung ein Handlungsbedarf festgestellt, ist unverzüglich eine „insoweit erfahrene Fachkraft“ (i.e.F.) zur Gefährdungseinschätzung hinzuzuziehen.
  • Verdächtige Personen werden nicht vorschnell mit dem Verdacht konfrontiert, da sie sonst Beweise verschwinden lassen und / oder Opfer unter Druck setzen könnten. Das Ansprechen verdächtiger Personen erfolgt erst nach Absprache mit der i.e. Fachkraft des Jugendamtes und ggf. der Polizei.
  • Bei einem Vorfall im Verein, von dem die Eltern noch keine Kenntnis haben, sollten diese durch die Vereinsführung / bzw. den Schutzbeauftragten informiert werden. Stellt die Einschaltung der Eltern den Schutz des Kindes jedoch infrage (z.B. durch eine mögliche Beteiligung an der Tat), sollten diese nicht auf verdächtige Anzeichen angesprochen werden. Hier ist die Abstimmung mit der i.e.F / dem Jugendamt besonders wichtig!
  • Von Beginn an ist alles lückenlos und fortlaufend zu dokumentieren!


SONSTIGES:

Tipps für das Gespräch mit der betroffenen Person:
  • keine „Vernehmung“ durchführen. Nur die Tatsachenschilderung aufnehmen
  • feststellen, ob akute Gefahrenabwehr notwendig ist
  • Wissen die Eltern bereits von Verdachtsfällen aus der Vergangenheit oder sind sie gar involviert?
  • erfragen, welche Erwartungen die betroffene Person hat
  • gemeinsame Abstimmung über das weitere Vorgehen
Beachte:
  • Gerade bei sehr jungen Kindern keine „Worte in den Mund legen“, da diese oft übernommen werden!
  • Es besteht keine Verpflichtung, als Verein bei Verdacht auf Kindesmisshandlung Strafanzeige zu erstatten. Falle ich als freier Träger unter die Bestimmungen des Achten Sozialgesetzbuches (SGB VIII), habe ich jedoch eine Handlungsverpflichtung zum Wohle des Kindes.
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